Puerto Montt, Santiago de Chile, Ciudad de Mexico, San José del Cabo - 26. Januar 2017.  Nach langer Flugreise mit mehrmaligem Umsteigen sind wir jetzt in Mexiko, an der Südspitze der Halbinsel Baja California, kurz Baja. San José del Cabo ist ein Reiseparadies für amerikanische Rentner, wir als Radtouristen und Nichtamerikaner wirken etwas fehl am Platz. Trotzdem genießen wir die hiesigen Annehmlichkeiten und buchen uns in einem ordentlichen Hotel ein. Mal wieder etwas anderes nach Zelt, Bauwagen, Kojen usw.

Nach anderthalb bewegungsarmen und energiereichen Wochen machen wir uns auf den Weg zum 35km entfernten Kap, nach Cabo San Lucas. Es ist ein weiterer von amerikanischen Touristen überlaufener Ort. Die Straße führt am Wasser entlang und im Meer tobt ein Wal mit großen Sprüngen seine überflüssige Energie aus, überall sind Pelikane. Die nächsten 170km nach La Paz bewältigen wir an zwei Tagen, übernachtet wird in Todos Santos. Die Bedingungen zum Radfahren sind nahezu ideal: Asphalt, relativ flach, mäßiger Wind, 26°C bei leichter Bewölkung. Die monotone Strecke führt ausschließlich durch trockene, knorrige aber sehr dichte Vegetation. La Paz selbst ist eine lebendige Stadt mit schöner, weitläufiger Strandpromenade.

Am 1. Februar brechen wir Richtung Norden auf. Vier Tage später, nach 380 Radkilometern, erreichen wir den Touristenort Loreto am Mar de Cortés. Solche Strecken in so geringer Zeit sind wir gar nicht mehr gewöhnt. Was Asphalt und gutes Wetter alles ausmachen. Die ersten 300km führen weiterhin durch sehr trockene Landschaft aber mit extrem dünner Vegetation. Es ist so trocken, dass die Geier mit sehr einfacher Beute rechnen. Aber Pech gehabt, wir führen reichlich Wasser mit uns. In Ciudad Insurgentes knickt die Straße nach Osten hin ab, die Landschaft wird gebirgig und etwas grüner. Von der letzten Gebirgskette hat man einen tollen Blick auf das blaue Meer und die vielen vorgelagerten, kleinen Inseln. Loreto ist wie alle Touristenorte hier wieder fest in US-amerikanischer Hand.

In Loreto verbringen wir drei Tage mit Rumgammeln und Essen, dann geht es weiter die Mar de Cortés-Küste entlang. Die Baja California gilt als Surfparadies wegen des kräftigen Windes der kontinuierlich aus Richtung Nordwest bläst. Und die Surfer haben wieder Glück, im Gegensatz zu uns. Es ist nichts mehr mit knapp hundert Kilometern am Tag, wir schaffen mit großer Anstrengung gerade mal die Hälfte. Die erste Nacht wird wieder zwischen Kakteen gezeltet. Am zweiten Tag erreichen wir die Bahía Concepción, eine Bucht mit kleinen, traumhaften Stränden. Die meisten werden von riesigen Wohnmobilen belagert. Wir teilen uns einen Strand mit einem kanadischen Pärchen und der Eigentümerin des paradiesischen Fleckchens. Unser nächster radfreier Tag ist in Mulegé geplant, das wir am dritten Tag erreichen. Auf dem Weg kommen wir an einem Restaurant vorbei, das mit lauter, alten Schallplatten geschmückt ist. Von denen Britta auch eine geschenkt bekommen soll, als sie sagt, wir hätten noch einen funktionstüchtigen Plattenspieler.

Den radfreien Tag in Mulegé verschieben wir. Der Wind hat an Intensität abgenommen und wir begeben uns auf den Weg nach Santa Rosalía. Bei dem Ort handelt es sich um eine alte Bergwerksstadt, in der bis 1970 Kupfererz abgebaut wurde. So empfängt uns die Stadt auch mit verfallenen Fabriken zur Kupfergewinnung. Der erste trostlose Eindruck täuscht, Santa Rosalía hat einen total hübschen und für diese Region ungewöhnlichen Stadtkern. Hier stehen dicht aneinandergebaute, bunt angestrichene Holzhäuser und eine von Gustave Eiffel entworfene Kirche aus Stahl.

Der Pausentag wird wiederum verschoben. Das nächste Etappenziel ist die Oase San Ignacio und dort sind mindestens zwei Tage Aufenthalt geplant, da es einiges zu besichtigen gibt. Für die 75km benötigen wir einen ganzen Tag. Es geht in die Berge und der Gegenwind ist stärker als im chilenischen Patagonien. An den Berggipfeln hängen Regenwolken und es sprüht daraus auch zum Teil recht kräftig. Wir erleben Regen in der Wüste. ....und, die Wüste blüht. Die letzten zwei Kilometer nach San Ignacio sind gesäumt von Dattelpalmen.

Wir machen wirklich wie geplant zwei Tage Pause in San Ignacio. Der Ort wurde 1728 von Jesuiten gegründet, die auch die Dattelpalmen mitbrachten. Am ersten Tag besichtigten wir die kleine Missionskirche, welche die Dominikaner 1789 aus Lavasteinen errichteten und genießen anschließend den Schatten der Lorbeerbäume, die den Dorfplatz umgeben. Den folgenden Tag verbringen wir mit einem geführten Ausflug zu den bis zu 5000 Jahre alten Felsmalereien, die auch UNESCO-Welterbe sind.

Es geht wieder für zwei Tage auf die Straße. Übernachtet wird in Vizcaíno. Wir starten an beiden Tagen bei Nebel, alles ist feucht. Und wir dachten vor ein paar Tagen schon, dass die Wüste blüht - jetzt blüht sie wirklich. Der Boden ist an vielen Stellen gelb, lila und weiß. Ab Vizcaíno gibt es ein neues Erlebnis, es wachsen keine Kakteen mehr, die Blumenteppiche bleiben. Spät am Nachmittag erreichen wir Guerrero Negro und sind wieder am Pazifik.

Guerrero Negro ist ein unattraktiver, staubiger Ort, aber voller Hotels. In den Buchten hier bringen die Grauwale im Januar ihre Jungen zur Welt und ziehen sie bis April auf. Also auf zur Walbeobachtung. Wir werden in kleine Boote verladen und sind schon nach ein paar Minuten  von Walen umgeben. Man sieht sie in der Ferne Luft  ausblasen und aus dem Wasser springen. Die Tiere sind zum Teil sehr neugierig und kommen so dicht zum Boot, dass man sie anfassen kann. Aus dem Whale Watching wird ein Whale Touching. Die Walhaut  fühlt sich nicht wie erwartet rau und rissig an, sondern ist weich und glatt und ähnelt eher der Oberfläche einer Aubergine. Neben dem tollen Erlebnis mit den Walen hatten wir auch in anderer Hinsicht Glück, denn wir sind das letzte Boot, das auf das Wasser darf, es kündigt sich ein Unwetter an. Alle weiteren Bootstouren für heute und die kommenden zwei Tage  werden gestrichen.

Nach dem Whale Watching suchen wir endlich mal einen Schuster auf, die Sohle meines einen Schuhs löst sich an der Spitze. Die Sohle wird geklebt, der heile Schuh verlangt, zehn Löcher mit einer handelsüblichen Bohrmaschine in den heilen Schuh und zwölf Löcher in den geklebten Schuh gebohrt, alles mit stabilem Garn genäht, nichts gedichtet, 2,50€ übergeben, fertig - na super. Nachts rückt das Unwetter an, es regnet, blitzt und donnert. Es gleicht einem etwas heftigeren sauerländer Regen, aber hier in der Wüste haben alle Panik.

 

 

 

 

Am nächsten Morgen wird die Panik der Mexikaner verständlich. Die Wüste und deren Anwohner sind nicht auf diese Wassermengen vorbereitet. In unserem Zimmer läuft das Wasser von den Wänden, die mit frischem Weiß getünchten Gebäude des Hotels sind wieder grau und das Wasser steht in den Straßen. Für uns bedeutet das erstmal einen Tag Zwangspause.

 

Es hat die ganze Nacht noch durchgeregnet, auch die Straßensenken auf der MEX1 sollen unter Wasser stehen. Wir verharren einen weiteren Tag in Guerrero Negro. Aber am 20. Februar geht es dann wieder auf die Räder. Wir fahren auf der MEX1 weiter Richtung Norden. Der Wind bläst uns mächtig entgegen. Die Landschaft besteht aus windschiefen Yuccapalmen, der Boden ist nach dem vielen Regen mit kleinen, grünen Pflanzen bedeckt. Die erste Nacht verbringen wir in einem kleinen Motel in Rosarito. Dann wechselt die Landschaft, es kommen wieder größere Kakteen, Elefantenbäume und Cirios ( lange Stämme mit stacheligen und blättrigen  Seitentrieben) dazu. In Mitten dieses Waldes übernachten wir auch. Nachts heult und bellt ein Steppenwolf, auch Kojote genannt. Morgens krabbelt ein sichtlich erregter Skorpion unter unserem Zeltboden hervor ins Vorzelt. Grüne Kolibris suchen in den blühenden Kakteen nach Nahrung.

In Chapala biegen wir am dritten Tag von der MEX1 auf die hier noch unasphaltierte MEX5 ab. Aber es wird kräftig an der Straße gebaut. Es geht anfangs steil bergauf und bergab, bis wir Coco´s Corner erreichen. Coco ist eine interessante Person, er verkauft hier mitten in der Wüste kaltes Bier und kalte Cola und sammelt Damenunterwäsche. Der alte Mann mit appen Beinen ist etwas enttäuscht, dass wir nicht bei ihm zelten. Es ist noch zwei Stunden hell, wir sind noch nicht schlapp und wollen noch etwas Piste hinter uns bringen. Einen schönen Zeltplatz finden wir auch noch. Die Nacht ist wieder super sternenklar, aber auch ziemlich kalt. Am kommenden Morgen radeln wir auf nagelneuem Asphalt gegen den Wind, aber bergab wieder zum Mar de Cortés.

An der Küste sind erst schöne Blumenwiesen, dann kommt eine Landschaft mit Ocotillos, interessante Sträucher, die bei Regen kleine, grüne Blätter bekommen. Am fünften Tag fahren wir durch vegetationsloses, rostrotes Gebirge bis Puertecitos. Die Berge brechen glücklicherweise etwas den Wind.

Puertecitos ist ein interessanter Ort. Er liegt auf einer Landzunge die ins Meer reicht und erinnert an bolivianische Dörfer. Es existiert kein Asphalt, die Häuser sind zum Teil verlassen, es ist alles staubig. Ferner gibt es keine Unterkünfte, keine Restaurants, aber eine Tankstelle, zwei Läden und einen richtigen, noblen Campingplatz. Wir haben den Ort angesteuert, weil es hier auf der Landzunge heiße Quellen geben soll. Es gibt sie wirklich. Stark schwefelhaltiges heißes Wasser fließt in Kaskaden über Felsen ins Meer. Das heiße Wasser vermischt sich mit dem Meerwasser und kühlt sich dementsprechend immer stärker ab.

Morgens ist es windstill. Wir wollten zwar einen Tag bleiben, aber das muss man nutzen. Wir trampeln weiter. Die Strände sind auf kompletter Breite mit Feriencamps zugebaut. Auf halber Strecke gibt es mehrere Restaurants und wir essen mit Garnelen gefüllte, panierte Paprika - die mexikanische Küche ist schon köstlich. Dann wechseln Straßenbelag und Landschaft. Der Asphalt besteht aus grobem, verklebtem Schotter und wir fahren durch Sandwüste. Nach über 90km erreichen wir am 25. Februar unser Etappenziel San Felipe. Die Kleinstadt liegt in einer Bucht und ist von US-Amerikanern überschwemmt. Es scheint der Ballermann der Nordamerikaner zu sein, getrunken wird schon vormittags.

Letztes Reiseziel in Mexiko ist das 200km entfernte Mexicali. Die Straße ist teilweise vierspurig ausgebaut, es sind keine längeren Steigungen vorhanden und es herrscht wenig Verkehr. Das erste Viertel führt schnurgerade durch langweilige Landschaft. Dann, ab dem Abzweig zur MEX3 wird die MEX5 wieder interessanter. Es kommen Berge dazu, ein Unwetter zieht knapp an uns vorbei und wir fahren zum Teil durch richtige Sandwüste. Leider frischt auch der Wind wieder extrem auf. Im Norden des Mar de Cortés befindet sich das Mündungsdelta des Colorado Rivers. Wasser ist hier allerdings nicht vorhanden, die USA verbrauchen vorher alles. Wir radeln also an einer weiten ebenen Fläche aus Lehm und Salz entlang. Nach zwei Tagen erreichen wir abends Mexicali.

 

Fünf Wochen Mexiko, tausend Meilen gegen den Wind. Mexiko hatten wir zu Beginn unserer Reise gar nicht auf dem Fokus. Die Baja California mit unseren Zeltnächten zwischen riesigen Kakteen kommt zu den Highlights unserer Radreisen.