24. April, Frankreich. Nach rauschender Abfahrt erreichen wir Ax-les-Thermes. Wir fahren auf kleinen Straßen durchs französische Pyrenäenvorland. Es geht kontinuierlich steil bergauf und  ebenso steil wieder hinunter. Die Gegend ist nett, an den Bäumen sind zartgrüne neue Blätter. Nach drei Monaten Wüste und zwei Wochen sonnigem Katalonien ist es ungewohnt frisch, wir haben einstellige Gradzahlen. Die Strecke führt uns durch Ortschaften wie Belcaire, Quillan, Limoux. In Carcassonne, der ehemaligen Festungsstadt, verlassen wir endgültig die Pyrenäen.

In Carcassonne treffen wir auf den Canal du Midi. Ihn radeln wir entlang bis Olanzac um dann nach Norden in Richtung der Monts de L´Espinouse abzubiegen. Wir besichtigen so nette Dörfer wie Minerve, das auf einem Felsen thront und Olargues mit seinen schmalen Gassen und Bogenbrücke. In Lamalou wird die Richtung schon wieder gewechselt, jetzt nach Süden. Auf dem netten städtischen Campingplatz von Pézenas habe ich die Wahl zwischen Nespresso aus dem Münzautomaten oder frischem Filterkaffee.

Morgens packen wir mal wieder ein nasses Zelt ein. Seit wir in Südfrankreich sind erleben wir auch täglich wieder Regenschauer. In Agde treffen wir aufs Mittelmeer. Wir radeln über eine schmale Landzunge zwischen dem Bassin de Thau und dem Mittelmeer von Agde nach Sète und über eine weitere Landzunge von Frontignan nach La Grande Motte. Interessanterweise verläuft dort auch noch der Canal du Rhône durch das Wasser.

La Grande Motte ist ein Touristenort der in den 1960er und 1970er Jahren aus dem Nichts erbaut wurde.

Ab Le-Grau-du-Roi beginnt die Camargue, eine große Schwemmlandebene im Rhônedelta. Auf den folgenden 8km bis zur belebten Festungsstadt Aigues Mortes sehen wir schon Flamingos, Camargue-Pferde und den Salzabbau, der der Region früher extremen Reichtum eingebracht hat.

Die wenigen Wege durch das Sumpfgebiet nach Aigues-Mortes wurden durch Bauten wie dem Tour Carbonnière gesichert. Die Camargue-Stiere werden heute noch für die unblutigen Stierkämpfe in den Arenen der Region gezüchtet.  Eine schöne Arena ist das römische Amphitheater in Arles. 

Nach Arles kommen wir an der der ehemaligen Benedikitinerabtei Montmajour vorbei, besichtigen Les Baux de Provence sowie die umliegenden Steinbrüche.  St Remy de Provence hat eine regionsuntypische Kirche und einen alten Wasserkanal. Die Strecke nach Roussillon radeln wir in strömendem Regen.

6. Mai, Roussillon wird für die kommenden drei Wochen unser fester Standort. Brittas Familie hat hier für den Zeitraum ein Domizil gemietet.

Roussillon lebte bis in die 1930er Jahre vom Ockerabbau. In der ersten Woche unternehmen wir Tagesausflüge in die Umgebung und besichtigen das ehemalige Fort de Buoux, das auf einem Felsvorsprung thronende Gordes und das in Ocker gekleidete Örtchen Roussillon.

Nach zehn Tagen bewegungsarmer Völlerei beschließen wir Elsa und Baptiste zu besuchen. Die beiden haben wir vor einem halben Jahr erst in Nordchile und später nochmal in Südargentinien getroffen. Sie waren sechs Monate mit dem Motorrad in Südamerika unterwegs und sind nun nach Alissas gezogen. Der Ort ist 160km entfernt, wir melden uns an und radeln los. Als erstes erklimmen wir die Hügelkette des Vaucluse, fahren durch Venasque, zelten in Caromb, überqueren die Rhône bei Bollène. Am Campingplatz von Bourg St. Andéol fallen riesige Mücken über uns her. Nun führt die Strecke wieder in die Berge. St. Montan ist ein pittoreskes Dorf ohne Touristenrummel, danach haben wir eine lange Auffahrt durch eine tolle Schlucht, gefolgt von einem stetigen Auf und Ab. Hinter Alba-la-Romaine führt die Straße 18km bergauf zum Plateau du Coiron. Dann folgt eine ebenso lange Abfahrt bis Privas. Nach knapp 190km kommen wir in Alissas bei Elsa und Baptiste an. Wir werden mit heimischen Spezialitäten beköstigt, quatschen bis weit nach Mitternacht und machen nach dem Frühstück mit dem Quatschen weiter. Zurück nach Rousillon nehmen wir eine direktere Strecke. Wir treffen in Viviers auf den Rhôneradweg und fahren mit starkem Rückenwind nach Süden. Tagesziel ist Orange, das wir leider nicht erreichen, da uns zwei Platten aufhalten. Den ersten Platten habe ich geflickt, aber der amerikanische Schlauch scheint sich nicht mit dem europäischen Flickzeug zu vertragen. Orange mit seinem klotzigen Amphitheater und Triumphbogen erreichen wir erst am folgenden Tag. Nach Carpentras ackern wir wieder die Hügelkette des Vaucluse hoch und fahren über Gordes zurück nach Roussillon, das wir am Nachmittag des 21.5. erreichen.

Von Roussillon aus erkunden wir noch etwas die Umgebung um unsere Heimreise dann am 27. Mai fortzusetzen. Auch wenn die Provence noch kein Hochgebirge ist, besitzt sie doch einige anspruchsvolle Bergstrecken, die auch schon als Etappenziele der Tour de France dienten. Den Mont Ventoux haben wir vor vier Jahren mit dem Rad überquert, jetzt liegt die Montagne de Lure mit dem 1745m hohen Signal de Lure auf unserem Weg. Für die 18km lange Anfahrt benötigen wir fast vier Stunden, für die sich anschließende 24km lange Abfahrt bloß 45min. In Valbelle stoßen wir dann erstmalig auf einen Campingplatz ohne Parzellen. Er besteht bloß aus einer großen Wiese mit kleinen Bäumen  - ein Zeltplatz genau nach unserem Geschmack. Wir bleiben zwei Nächte. Weiter geht's über Sisteron, Espinasses, den Lac de Serre-Poncon Stausee entlang nach Embrun. In Embrun nehmen wir eine Übernachtungseinladung von Isabelle an, sie wohnt mit ihrer Familie in einem Haus hoch über der Stadt.

In Briancon, einer netten Stadt mit Zitadelle und vielen kleinen Festungen, machen wir einen Tag Pause. Wir befinden uns jetzt in den französischen Alpen und haben an den letzten Tagen, da wir ausschließlich auf kleinen Nebenstraßen unterwegs sind, reichlich Höhenmeter absolviert. Die Weiterfahrt gestaltet sich etwas schwierig. Wir möchten in die Schweiz, aber einige Pässe sind noch gesperrt oder gerade erst wieder geöffnet. Obendrein ist Niederschlag angekündigt, der in den Höhen durchaus als Schnee herunterkommen kann. Wir werden wohl über den Col du Lauterat und den Col de Galibier fahren. Das lässt uns die Möglichkeit gegebenenfalls nach Westen hin auszuweichen.

Glück gehabt, der Col du Galibier war zwar wieder geöffnet und ist nun schon wieder geschlossen, aber als Radfahrer kann man sich drüber her mogeln. Der Schnee ist von den Hängen gerutscht und es ist erst eine schmale Schneise ins Schneebrett gefräst. Die Auffahrt zum Pass ist fantastisch. Erst geht es durch sattes Grün, dann folgen Fels und Geröll, in den Höhen sind überall noch Schneereste. Für die Abfahrt nach Valloire ziehen wir uns warm an, inklusive Handschuhe. Kurz vor dem Ort stoppt uns Platten Nr. 11, der vierte in Europa. Wieder an Brittas Hinterrad, wieder ist das Loch im Schlauch auf der Felgenseite. Es ist kein Grat ersichtlich. Im nächsten großen Ort werde ich mal neues Felgenband besorgen. Falls jemand das Problem und die Ursache kennt: Bitte melden! 

Wir packen in Valloire ein nasses Zelt ein und fahren zum Col du Télégraphe hoch. Es folgt eine rauschende 1.000hm lange Abfahrt. Abends übernachten wir in St. Pierre d´Albigny auf nur 285hm. Morgens regnet es in Strömen, das Zelt wird wieder nass verpackt. Der folgende Weg führt uns über Albertville, Ugine, durch die wilde Schlucht des Arly und Flumet nach Praz-sur-Arly. Hier hat der Campingplatzbesitzer wohl Mitleid mit uns und vermietet uns ein gemütliches Miniappartement für 25€. Der nächste Tag bringt strahlenden Sonnenschein und wir nehmen Kurs auf Chamonix. Das Zelt schlagen wir bei bestem Wetter mit Blick auf den Mont Blanc, dem höchsten Berg Europas (Nein, es ist nicht der Elbrus, der liegt für uns in Asien.), auf. Am kommenden Tag bringen uns zwei spektakuläre Seilbahnen und anschließend ein Aufzug bis auf 3842 Meter hoch. Wir haben einen super Ausblick auf den Mont Blanc und den Rest der umgebenden Bergwelt.

 Das Zelt wird trocken eingepackt, dann schleichen wir den Col des Montets rauf und brettern auf der anderen Seite wieder runter. Nach 18km verlassen wir Frankreich.